Was ist der architektonische Gedanke, der sie begeistert, beunruhigt und gleichzeitig herausfordert?
Uns begeistern Räume, Lösungen, auch architektonische Aussagen bzw. Konzepte, die besondere Gefühle des Raumerlebens hervorrufen, und gleichzeitig jene Architektur, bei der wir zu dem Ursprung zurückkehren, dem Wesentlichen der architektonischen Gestaltung und dem zu einer komplexen Einheit zusammengesetzten Grundbaustein.
Für uns stellt es eine besondere Herausforderung dar, durch die Gestaltung des Raums, der Auswahl des Materials und der strukturellen Gestaltung Neugierde, ein Hochgefühl, Staunen oder Beruhigung (entsprechend dem Zweck und der Bedeutung des Gebäudes) zu erregen bzw. eine positive emotionale Reaktion gleich welcher Art der Personen/Nutzer auszulösen. Das, was man als Objekt ohne entsprechenden kulturellen Überbau ansieht, ist ein Gebäude, das nicht mehr als das ist, was nur eine utilitaristische Vermengung bereits gesehener Ausführungspraktiken und gewöhnlicher monotoner Lösungen darstellt und bei denen durch das Kriterium der Ökonomie jede Bedeutung des Raums entwertet wird.
Gleichzeitig beunruhigt und provoziert uns auch die Architektur, die sich aus der Tektonik des Bauens, der Gebrauchslogik und der natürlichen Ästhetik oder der Harmonie des Ganzen ergibt. Dies verlangt natürlich eine ungeheure Disziplin, eine Überprüfung und Entwicklung der grundsätzlichen architektonischen Konzepte, die klar, lesbar und logisch bleiben und in ihrer Einfachheit die ganze Pracht der Materialien, der eingebauten Systeme, Details und kleiner Themen verbergen, die alle in sich selbst das Konzept des Ganzen widerspiegeln.
Wie bewerten Sie die Tradition, wie Inventionen?
Gegenüber den richtigen (und nicht falschen oder unechten) Traditionen fühlen wir einen großen Respekt und akzeptieren sie als »Lehrerin« bei unserer Arbeit. In dieser Beziehung könnte man sagen, dass wir Anhänger eines kritischen Regionalismus sind. Wie gesagt, lehnen wir jedwede unechte und nur über die Form ausgedrückte Tradition stark ab. Ein Geflecht aus guten traditionellen Praxen mit modernem Ausdruck oder einer architektonischen Invention ist daher bei uns bei der Projektierung ein verpflichtender Ausgangspunkt. Wenn man die Entwicklung und die Herkunft der jeweiligen traditionellen Lösungen oder Details wirklich versteht, ist deren Übertragung in die moderne Architektur wesentlich leichter. Durch das Verstehen stellen wir schnell fest, dass das Wesentliche der traditionellen Architektur nicht in der Form liegt. Auf die gleiche Weise, jedoch von der anderen Seite her, führen wir inventive Elemente oder Konzepte in die Architektur ein, die auf diese Weise selten als Fremdkörper im Raum oder als unabgestimmt mit der Umgebung auffallen. Unter den Kriterien der architektonischen Gestaltung stellt für uns der Kontext einer der wichtigsten Maßstäbe dar.
Wie diagnostizieren Sie moderne Trends in der Architektur, wie prognostizieren Sie diese?
Das Wort Trend riecht nach Mode, welche, wie wir wissen, kurzlebig ist bzw. eine Saison oder zwei andauert. Häuser sind kein modisches Accessoire oder ein Kleid, das man jedes Jahr wechselt. Es handelt sich – aus der Perspektive des menschlichen Lebens – um ein dauerhaftes Objekt, das die Qualität eines Raums für mindestens zwei, wenn nicht mehr Generationen bestimmt. Gerade deshalb beschäftigen wir uns mit den Trends in dem Maße, dass wir der Entwicklung der Materialien, Details, und konstruktiven Lösungen folgen, welche es ermöglichen, dass wir in die Richtung weitergehen, die wir bei der ersten Frage aufgezeigt haben. Hierbei versuchen wir alle Novitäten in der Weise auszunutzen, die oft dem Hersteller selbst noch unbekannt ist. Wie die architektonische Entwicklung zeigt, gehen die derzeitigen Trends in die Richtung von nullenergetischen, natürlichen und nachhaltigen Gebäuden. Wir sehen aber auch ausgeprägte Veränderungen bei der Nutzungsweise von Häusern bzw. Gebäuden und eine immer ausgeprägtere Individualität der Nutzer. Das verlangt natürlich ein immer vertiefteres Engagement des Architekten. Neue Formen sind eine Folge der Technologien und neuen ingenieurtechnischen Möglichkeiten, jedoch muss hierbei betont werden, dass es die Architektur ist, die diese Entwicklung verlangt, sie fördert und steuert. Als Generator der technologischen Entwicklung bleibt die Architektur jedoch noch immer in dem Rahmen der Humanistik bzw. Kultur, wo sich das Wesentliche der Innovativität aus vollkommen anderen Prinzipien ergibt als im Ingenieurwesen.